Chronologie

Beim Umgang mit handschriftlichen Quellen dient die Chronologie dem praktischen Zweck der Auflösung und Umrechnung von Daten. Sie liefert die Hintergrundinformationen, die nötig sind, um die verschiedenen Datierungsangaben in die heute übliche Zeit umzurechnen. Darüber hinaus erarbeitet sie wichtige Einsichten zu den Zeitvorstellungen vergangener Kulturen.

Definition:
Die Chronologie (gr. chronos = die Zeit) ist die Lehre von der Zeitmessung, Zeitrechnung und Datierung. Man unterscheidet:

  • die astronomische Chronologie, die sich mit den Himmelskörpern beschäftigt, soweit sie für die Bestimmung der Zeiteinheiten von Bedeutung sind.
  • die historische Chronologie, die die unterschiedlichen Zeitrechnungen der verschiedenen Kulturen untersucht, also die Lehre der Zeitmessung, Zeitrechnung und Datierung.
Nicolaus Copernicus, De revolutionibus orbium coelestium Libri VI (Über die Umlaufbahnen der himmlischen Kreise) wurde erstmals in Nürnberg 1543 gedruckt (hier gezeigt die zweite Auflage von Basel 1566) und markiert den Beginn der modernen Astronomie:«In der Mitte aber von allen steht die Sonne. Denn wer wollte diese Leuchte in diesem wunderschönen Tempel an einen anderen oder besseren Ort setzen als dorthin, von wo aus sie das Ganze zugleich beleuchten kann!» (Buch I. Kapitel 10).

Einen festen und verständlichen Massstab zum Messen der Zeit bieten die regelmässigen Bewegungen der Himmelskörper.

Insbesondere:

  • die Drehung der Erde (= Sonnentag von 24 Stunden)
  • die Bahn des Mondes um die Erde (= Mondmonat von 29 Tagen 12 Stunden, 44 Minuten)
  • die Bahn der Erde um die Sonne (= Sonnenjahr von 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten 46 Sekunden)

Das Sonnenjahr ist nicht durch volle Tage teilbar. Das Problem des Kalenders ist, dass es keine einfachen zahlenmässigen Zusammenhänge zwischen der Dauer eines Tages, eines Monats oder eines Jahres gibt. Deshalb wird beim Kalenderjahr eine abgerundete Jahreslänge angenommen.

Julius Caesar reformierte den altrömischen Kalender.

Julius Caesar setzt 46 v. Chr. eine Kalenderreform durch. Er nimmt dabei eine Durchschnittslänge des Sonnenjahresvon 365 Tagen und 6 Stunden (= 365 1/4) an. Das normale Jahr dauert so 365 Tage. Die 6 Stunden Differenz werden alle vier Jahre durch ein Schaltjahr mit eingeschobenen zusätzlichem Schalttag (= 366 Tage) ausgeglichen. Der Schalttag ist der 24. Februar, der im Schaltjahr zweimal vorkommt.
Das angenommene julianische Jahr ist allerdings 11 Minuten und 14 Sekunden länger als das Sonnenjahr. Das ergibt nach ca. 128 Jahren eine Verschiebung von einem vollen Tag.
Eine Verbesserung bringt erst der gregorianische Kalender.

In einem Brief Dr. Georg Amsteins an einen Exponenten der Ökonomischen Gesellschaft Zürich, vermutlich den Sekretär Hans Heinrich Schinz, findet sich die im Bild zu sehende Datierung: Zizers den 9/20 horn. 1781 = 20. Februar 1781.
Alter und neuer Stil sind angegeben.
Staatsarchiv Zürich, B IX 30 Nr. 1.

Papst Gregor XIII. führt 1582 eine Kalenderreform durch. Diese Kalenderverbesserung ist durch die Differenz zwischen tropischem Sonnenjahr und der angenommenen Durchschnittslänge des julianischen Jahrs notwendig geworden.
Gregor lässt 10 Tage aus, um den Fehler, der durch den julianischen Kalender entstanden ist, wieder auszugleichen. So wird nach dem 4. Oktober 1582 sogleich der 15. gezählt. Der Sonntagsbuchstabe verschiebt sich für den Rest des Jahres von G auf C.
Um dem tropischen Sonnenjahr näher zu kommen sollen in 400 Jahren drei Schalttage ausfallen. Hierfür werden die Jahre bestimmt, die durch vier teilbar sind, nicht aber durch 400. 1700, 1800, 1900 fällt also der Schalttag aus. Das Jahr 1600 und 2000 dagegen sind Schaltjahre.
Besonders problematisch sind die Datierungen zwischen 1582 und 1700, da nach wie vor auch der alte Stil des julianischen Kalender verbreitet war. Manchmal geben die Quellen die Art der Datierung an (stilus novus und stilus antiquus).

VORGEHEN: Sind die Angaben im alten Stil, so müssen sie in den neuen umgerechnet werden. Dafür sind bis zum 1. März 1700 zehn Tage zum Tagesdatum hinzuzurechnen. Bis 1800 ist der Gregorianische Kalender dem Julianischen elf Tage voraus.

England stellt erst 1752 auf den gregorianischen Kalender um. Das Kalenderprogramm des Betriebssystems Unix richtet sich nach diesem Termin. Im September 1752 fehlen 11 Tage.

Die Einführung des gregorianischen Kalenders geschieht nicht überall gleichzeitig. Es ist deshalb bei der Berechnung der Datierungen darauf zu achten, ob die Angaben bereits nach dem neuen Stil erfolgen.
Nach der Bulle Papst Gregors XIII. wechselt der Kalender zwischen dem 4. und 15. Okt. 1582 (gilt nur für Spanien, Portugal und Teile Italiens und Polens).
In den protestantischen Ländern wird der gregorianische Kalender erst um 1700 eingeführt. In orthodoxen und nichtchristlichen Gebieten erfolgt die Umstellung noch später. Weil Russland erst 1918 den gregorianischen Kalender eingeführt, heisst die russische Revolution von 1917 manchmal «Oktoberrevolution» (25. Okt. nach dem julianischen Kalender) und manchmal «Novemberrevolution» (7. Nov. nach dem gregorianischen).

Mond- und Sonnenjahr lassen sich nicht in einfache Relation zueinander bringen. Man nimmt einen 19jährigen Mondzyklus an, in dem 19 Jahre 235 Mondmonaten entsprechen. Die Differenz wird mit Schaltmonaten und Mond-Schaltjahren ausgeglichen, d.h. alle 19 Jahre sollen die Mondphasen wieder an denselben Monatsdaten eintreten.
Mit der goldenen Zahl (numerus aureus) wird das Jahr innerhalb des 19jährigen Mondzyklus bezeichnet. Der Zyklus beginnt mit 1 n. Chr. Man braucht die goldene Zahl für die Bestimmung der Vollmonde und damit für die Osterberechnung.

Vorgehen: Addiere zur Jahreszahl 1 und teile durch 19. Der Rest ist die gesuchte goldene Zahl. Wenn das Ergebnis 0 ist, dann ist die gesuchte goldene Zahl 19. Man kann auch in der Tabelle für die goldene Zahl nachsehen. 

Beispiel: Gesucht ist die goldene Zahl für das Jahr 955.
955 + 1 = 956
956 : 19 = 50 Rest 6
6 ist die goldene Zahl des Jahres 955.

Das Kirchenjahr und damit die meisten beweglichen Festtage hängen von Ostern ab. Deshalb ist es wichtig den Ostertermin für jedes Jahr bestimmen zu können. Im Mittelalter beginnt in manchen Regionen sogar das Jahr an Ostern.

Ostern fällt auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling (21. März). Um Ostern zu berechnen, benötigt man also die Wochentage und den Mondkalender bzw. die goldene Zahl.

Der Vollmond nach dem 21. März heisst Ostergrenze (terminus paschalis). Ostern fällt auf den Sonntag danach. Die Ostergrenze wird mit der goldenen Zahl ermittelt. Hat man die goldene Zahl, so lässt sich mit der Tabelle die Ostergrenze und ihr Tagesbuchstabe bestimmen. Nun benötigt man den Sonntagsbuchstaben, um den Wochentag der Ostergrenze herauszufinden. Ostern fällt dann auf den Sonntag nach der Ostergrenze.

Zur Überprüfung lässt sich dann in den 35 Osterkalendern des Grotefend nachsehen, ob die Berechnung stimmt.

Beispiel:
Gesucht ist der Ostertermin 955. Die goldene Zahl für 955 ist 6. Die Ostergrenze ist der 10. April mit dem Tagesbuchstaben B. Der Sonntagsbuchstabe für 955 ist G. Der 10. April 955 ist demnach ein Dienstag. Der erste Sonntag nach diesem Dienstag ist der 15. April.