Regesten

Die Angaben zum Inhalt der Quellen können eher quellenbezogen sein, das heisst sie geben Thematik und Ordnung der Quelle wieder, oder sie folgen stärker der eigenen Fragestellung. Dann erfassen sie eine thematisch strukturierte Auswahl der Quelle.

Kurze Inhaltsangaben, die den wesentlichen Inhalt einer Quelle wiedergeben, nennt man Regesten (von lat. res gestae). Regesten sind bereits im Mittelalter bekannt und dienen zur Anfertigung von Urkundeninventaren in den Archiven. Zum Teil werden sie auch auf dem Rücken der Originale angebracht (Dorsualnotizen). Die moderne Forschung hat diese Form der Inhaltsangabe primär zur Ordnung und Edition von Urkundenbeständen übernommen.

Die Regestentechnik folgt einem positivistischen, auf politisch-rechtliche Fakten und Ereignisse konzentrierten Geschichtsverständnis. Um diese Technik sinnvoll einzusetzen, ist bei der Inhaltsangabe der Bezug zur eigenen Fragestellung zu berücksichtigen.

Je nach Ausführlichkeit werden unterschieden:
Kopfregest – Kurzregest – Vollregest

Die drei Formen unterscheiden sich in der Ausführlichkeit der Angaben zum Inhalt der Quelle.

Alle Formen enthalten:

  • Laufende Nummer des Dokuments
    In Editionen werden die Stücke durchnummeriert und häufig auch nach der Nummer zitiert. Auch in der persönlichen Datenbank dient die Nummer der eindeutigen Identifizierung eines Quellenstückes. Um Zusammenhänge kenntlich zu machen (etwa die verschiedenen Dokumente in einer Akte), ist es möglich, die Nummerierung zu unterteilen.
  • Austellungsort und Datum
    Der Ort und das Datum der Ausstellung sind anzugeben. Wenn diese nur aus dem Kontext erschlossen werden, sind die Angaben in rechteckige Klammern zu setzen. Die Ortsbezeichnungen werden modernisiert. Alle Datumsangaben werden in modernen Stil umgerechnet.
  • Aussteller und Empfänger
    Aussteller und Empfänger werden in modernisierter Schreibweise mit Titel genannt. Längere Titulaturen werden gekürzt. Erschlossene Angaben stehen in eckigen Klammern.
1 Nummer der Urkunde
2 Inhaltsangabe (Kopfregest)
3 Ort und Zeitangabe

Kopfregest einer Urkunde Ottos II. aus einer Edition der Monumenta Germaniae Historica (MGH).
MGH DO II., Nr. 24.

Das Kopfregest ist die kürzeste Art, einen Text zu erschliessen. Es steht häufig in Urkundeneditionen am Anfang der eigentlichen Edition einer Urkunde. Es dient der schnellen Orientierung innerhalb der Edition.
In einem Kurzbetreff wird der Gegenstand des Textes in knapper und prägnanter Form angegeben. Das Kopfregest steht in der Edition ergänzend zum Quellentext.

1 Nummer der Urkunde, 2 Zeit- und Ortsangabe, 3 Kurzregest, 4 Datumszeile im Original, 5 Angabe zur Überlieferung, 6 Angabe zu Drucken und Regesten, 7 Quellenkritische Hinweise

Kurzregest aus dem Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 
(QW).QW I/2, Nr. 104.

Das Kurzregest ist eine erweiterte Fassung des Kopfregestes.
Die Inhaltsangabe erfolgt so knapp wie möglich, d.h. so ausführlich wie nötig. Je nach Fragestellung werden weitere Informationen festgehalten (z.B. Zeugen). Die Inhaltsangabe orientiert sich am Resultat und nicht am Verlauf der Darstellung. Berücksichtigt werden auch alle Orts- und Personennamen. Informationen, die erschlossen werden, stehen in eckigen Klammern. Originalzitate werden in runde Klammern gesetzt und kursiv gedruckt.

1 Nummer der Urkunde, 2 Datierung, 3 Regest (hier mit eingeschobenen Originalzitaten), 4 Datumszeile im Original, 5 Angaben zu Überlieferung, Kopien, Regesten und Drucken

Vollregest. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug, Nr. 495.

Das Vollregest ist bereits relativ aufwendig zu erstellen. Es ersetzt in der Regel eine Transkription der Quelle.
Beim Vollregest wird mehr oder weniger der gesamte Inhalt eines Textes wiedergegeben. Die Reihenfolge der Angabe richtet sich nach dem Aufbau der Vorlage. Floskeln und Formeln werden weggelassen. Wichtige Textpassagen werden wörtlich wiedergegeben.

1 Herrschername, 2 Jahresangabe (Inkarnationsjahr), 3 Regierungsjahre (Jahre seit Herrschaftsantritt als König), 4 Kaiserjahre (Jahre seit der Kaiserkrönung), 5 Indiktion, 6 Seitenangabe in den Regesta imperii, 7 Angabe des Tags und des Monats, 8 Ort (Augia = Kloster Reichenau), 9 Vorhergehendes Regest Nr. 370, 10 Regestnummer, 11 Eigentliches Regest: Angabe des Inhalts der Urkunde, 12 Angabe von Drucken und anderen Regesten, 13 Quellenkritische Bemerkungen

Vollregest aus den Regesta imperii.

Die Regestentechnik entstammt dem positivistischen Geschichtsverständnis des 19. Jahrhunderts, das auf politische Ereignisgeschichte abzielt. Sie konzentriert sich auf die Erfassung von Urkunden, die als Gerüst der Faktengeschichte angesehen werden.
Die Regesta imperii zum Beispiel versuchen alle Daten der Reichsgeschichte in chronologischer Reihenfolge unter Angabe der jeweiligen Quellen wiederzugeben. Damit werden aber die Überlieferungszusammenhänge und die jeweiligen Kontexte der Quellen ausgeblendet.
Bei der Verwendung von Regesten ist immer zu bedenken, dass Regesten nur eine Inhaltsauswahl unter bestimmten Aspekten (vor allem rechtlicher Natur, zeitlicher Einordnung, Personen) liefern.

1.  Eigentliche Regestensammlungen begegnen vor allem bei Rechtsquellen (Urkunden). Grundsätzlich kann aber von jeder Quellengattung ein Regest gemacht werden. Eine stark verkürzende Paraphrase eines beliebigen Textes ist auch ein Regest. In diesem erweiterten Sinne benutzten die schreibenden Historikerinnen und Historiker häufig die Technik des Regests.
2. Ist man damit betraut, von seriellen Quellen Regesten herzustellen, lohnt es sich, vor dem Beginn der Arbeit die einzelnen Stücke zu lesen und sich ein inhaltliches Protokoll zu erstellen.
3. Auf der Grundlage dieses Lektüreprotokolls sollte dann eine Liste dessen entstehen, was unbedingt ins Regest aufgenommen werden soll. Was in jedem Fall erwähnt werden muss, hängt von der Funktion des Regests und damit von unseren Fragestellungen ab.
4.  Ins Regest soll nichts aufgenommen werden, was nicht aus der Quelle selbst hervorgeht – also keine Informationen, die aus der Sekundärliteratur oder aus andern Quellen gezogen werden.
5. Besondere Aufmerksamkeit ist den handelnden Personen und den namentlich erwähnten Orten zu schenken. Auch Rechtshandlungen gehören zum Gerüst eines Regests.
6. Die Quelle sollte durch das Regest nicht gewertet oder kommentiert werden.
7. Charakteristische oder sonstwie signifikante Ausdrücke, für die es keine moderne Entsprechung gibt oder deren Bedeutung vorerst unklar ist, können im Regest in der Originalform belassen werden.