Dicta Pirmini

Dicta Pirmini – Ergebnis 2

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Stiftsbibliothek Einsiedeln, Ms. 199 (638), S. 461 (Ausschnitt).

Die Transkription lautet:

"Venite ad me omnes, qui laboratis et honerati es-
tis, et ego vos reficiam.» dicit dominus. Petimus ergo, karissimi,
caritatem vestram, ut, que pro salute vestra dicuntur,
attentius audiatis; longus quidem per divinis scrip-
turis ordo degeritur, sed velut aliquantulum in
memoria teneatis.
Übersetzung:

"Kommt alle zu mir, die ihr euch abmüht und beladen seid, und ich werde euch erquicken.» So spricht der Herr (Psalm 94, 8). Wir bitten also, Geliebte, eure Liebe, daß ihr euch recht aufmerksam anhört, was zu eurem Heil gesagt wird; allerdings zieht sich eine lange Reihe durch die heiligen Schriften, aber behaltet sie in Erinnerung, als sei es nur etwas Kleines.

Nicht überraschen darf in einer Handschrift des 8. Jahrhunderts die unorthodoxe Orthographie («honerati» für «onerati») und Grammatik («per divinis scripturis» für «per divinas scripturas»). Auch die spärliche Interpunktion ist nicht ungewöhnlich. Nebensätze etwa werden nicht graphisch markiert.

Die meisten vorkarolingischen regionalen Minuskelschriften werden im Laufe des 9. Jahrhunderts von der Karolingischen Minuskel abgelöst. Fast alle Ligaturen und manche Buchstabenformen verschwinden vollständig aus den Handschriften. Der Reiz der regionalen Minuskelschriften liegt aber gerade in der Vielfalt, die helfen kann, Handschriften zu lokalisieren oder besonderen Schreibschulen zuzuordnen.