Codex Regius der Lieder-Edda

Das f zeigt die insularen Einflüsse. Majuskeln (hier als Beispiel das N) sind typisch isländische Abbreviaturen für  Geminaten.
Am kleinen g ist der zum Gotischen tendierende Charakter der Schrift besonders gut erkennbar.

Die Transkription lautet:

Deyr fe deyia fröndr deyr sialfr it sama. enn
orz tirr deyr aldregi hveim er ser goðan getr. Deyr fae deyia fröndr [deyr sialfr it sama]
ec veit einn at aldri deyr domr vm daoþan hvern.
Übersetzung:

Es stirbt Besitz,
Verwandte sterben,
du selber stirbst einst ebenso;
jedoch der gute
Ruf und Ruhm
stirbt nie, den einer erlangt hat.

Es stirbt Besitz,
Verwandte sterben,
du selber stirbst einst ebenso
jedoch ich weiß,
was niemals stirbt:
das Urteil über die Toten.

Die ersten drei Verse dieser Hávamál-Strophen sind gleich, sodass in der zweiten Strophe nur der erste Vers ausgeschrieben, der zweite abgekürzt und der dritte weggelassen worden ist.

Paläographische Erklärungen
Die Handschrift gehört der vorgotischen Periode an. Im Gegensatz zur karolingischen Minuskel haben die Schäfte bei den meisten Zeichen bereits spitzwinklig angesetzte An- und Abstriche sowie ausgeprägte Ober- und Unterlängen. Andererseits sind die Buchstaben noch runder und breiter als typisch gotische Zeichen. Die Schrift weist ferner insulare Einflüsse auf wie zum Beispiel das f mit Unterlänge, das r rotunda oder das Eth (ð). Ein isländisches Charakteristikum ist die Wiedergabe von Geminaten durch Majuskeln (Großbuchstaben).