Kaiserurkunde

.

Kaiser Ludwig erlaubt den Bürgern der Stadt St. Gallen die Erhebung eines Umgelds:
Stadtarchiv St. Gallen, Tr. I, No. 8.

Die Transkription lautet:

Wir Ludowig von gotes gnaden Romischer keyser ze allen ziten merer dez richs veriehen of-
fenlichen an disem brief, daz wir den wisen luten den burgern gemainlichen ze sant Gallen unsern
lieben getriwen diu gnade getan haben mit disem brief, daz si ein ungelt in der stat ze sant Gallen
uf setzen und daz inne haben und niezzen, als zitlich und gwonlich ist, an alle irrunge, und sol
diu gnade wern als lange biz an unser widerrueffen. Und dar uber ze einem urchuende geben wir in disen
brief mit unserm keyserlichem insigel versigelten. Der geben ist ze Uberlingen an suntag vor sant
Vites tag, da man zalt von Christes geburt driuzehen hundert iar, dar nah in dem vier und dreiz-
zigestim iar, in dem zwainzigestim iar unsers richs und in dem sibenten dez keysertumes.

Klerus und Adel genossen vielerorts Umgeldfreiheit, was von städtischer Seite im 14. und 15. Jahrhundert zunehmend bestritten wurde; in St. Gallen herrschte jedoch seit der Einführung des Umgelds für jedermann dieselbe Zahlungsverpflichtung. In manchen Orten genossen Bürger verschiedener Städte die gegenseitige Befreiung vom Umgeld.

merer = Vermehrer, Vergrösserer; seit dem 14. Jahrhundert Übersetzung des lat. «Augustus» im Titel des deutschen Königs
veriehen = erklären, bekennen
wisen luten = (den) weisen Leuten
gemainlichen = allen gemeinschaftlich
getriwen = Getreuen
brief = Urkunde
ungelt = Abgabe bzw. Steuer auf Getränken (meist Wein und Bier)
uf setzen = aufsetzen, erheben
niezzen = nutzen
zitlich = zeitgemäss, angemessen
gwonlich = üblich, gewöhnlich
an = ohne
irrunge = Irrtum, Hindernis, Schaden
diu = diese
wern = währen, dauern
Uberlingen = Überlingen (Stadt in Baden-Württemberg)
sant Vites tag = St. Veitstag (15. Juni)