Ehegerichts-Protokoll

Stadtarchiv St.Gallen, Bd. 803, f. 1r.

Die Eheschliessung gelangte durch die Reformation zu den städtisch-weltlichen Aufgaben. Da die reformierte Stadt St.Gallen die Hierarchie der katholischen Kirche und ihrer Ämter nicht mehr anerkannte, konnte sie sich bei Ehestreitigkeiten nicht mehr – wie bis anhin – an die bischöflich-konstanzische Kurie wenden. So wurde ein städtisches Ehegericht eingeführt.

Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit bestand noch keine «staatlich» sanktionierte Form der Eheschliessung. Es genügte der Ehewille der zukünftigen Gatten; war dieser vorhanden, konnte sich gegenseitig die Ehe versprochen werden, in der Regel nicht vor Zeugen und oft auch im Geheimen. Häufig erschienen Paare, welche sich die Ehe versprochen hatten – jedoch noch nicht kirchlich getraut waren – vor dem Ehegericht, weil einer der beiden behauptete, es habe gar nie ein Eheversprechen zwischen ihnen bestanden und der andere ihn dennoch zum Eingehen der Ehe zwingen wollte. Solche Streitigkeiten spitzten sich zu, wenn nach einem angeblichen Eheversprechen sexuelle Kontakte stattgefunden hatten, die zu einer Schwangerschaft führten. Beischlaf war nur nach einem beidseitigen Eheversprechen erlaubt.

Vor dem Ehegericht trat 1528 Jakob Funk von Güttingen als Kläger gegen Justina Bläwenstain auf. Der Grund der Anklage ist aus dem Eintrag nicht ersichtlich: Justina Bläwenstain hatte in eine Eheschliessung mit dem Kläger Jakob Funk eingewilligt, wollte ihn dann aber trotzdem nicht heiraten. Er ging daraufhin vor Gericht, um sie zur Einhaltung der Ehe zu zwingen.

Beachte die häufigen Nasalstriche und lasse die Zeichen über dem y weg. Setze die gestrichene Passage in runde Klammern.