Chartes pontificales: caractéristiques et structure

Das Aussehen päpstlicher Urkunden variiert in Format, Ausführlichkeit, Ausfertigung und Beschreibstoff. Gemeinsam ist päpstlichen Urkunden aber, dass alle nach einem bestimmten Formular, in einer formalisierten Sprache, im stilus curiae, aufgesetzt wurden. Bei der Ausstellung einer Urkunde gilt es, bestimmte Vorschriften bezüglich Aufbau, Beschreibstoff, Format, Schrift, Datierung und Besiegelung einzuhalten. Formale Abweichungen können immer auch ein Fälschungsindiz sein.
Man unterscheidet äussere Merkmale (z. B. Beschreibstoff, Schrift, Besiegelung) und innere Merkmale (Stil, Sprache, formelhafter Aufbau).

Papsturkunde, Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2.
Helle Vorderseite (Fleischseite) und dunklere Rückseite (Haarseite).

Das italienische Pergament
Für die Papsturkunden, die in Schweizer Archiven liegen, wurde das sogenannte 'italienische Pergament' verwendet. Dieses wird beidseitig nicht gleichförmig bearbeitet, sondern unterscheidet sich in eine helle Fleischseite und eine dunklere, gelbstichige Haarseite. Die Tierhaut wird nur auf der Fleischseite vollständig geglättet und mit einem weissen Kreideüberzug versehen (kalziniert). Das italienische Pergament gilt als besonders fein und dünn. Nördliche und insulare Pergamente, so auch das 'deutsche' Pergament, zeichnen sich dagegen durch eine gleichmässige Behandlung der Seiten aus.

Die äusseren Merkmale umfassen Beschreibstoff, Schrift, Besiegelung und andere Beglaubigungsmerkmale (Unterschriften, Grussformeln, Rota, Monogramm, Kanzleivermerke etc.). Um festzustellen, ob es sich bei einer überlieferten Papsturkunde um eine echte Urkunde oder eine Fälschung handelt, untersucht man die äusseren Merkmale des Dokumentes. Dies ist allerdings nur möglich, wenn man die Urkunde im Original zur Verfügung hat.
Beschreibstoff: Die ältesten überlieferten Papsturkunden wurden auf Papyrus verfasst, am frühesten datiert werden kann ein (fragmentarischer) Brief Hadrians I. von 788. Wegen der geringen Haltbarkeit von Papyrus sind nur etwa 50 Originale erhalten. Papyrusurkunden haben teilweise eine beträchtliche Länge, sie können bei einer Breite von ca. 50 cm einige Meter lang sein.
Die erste überlieferte Pergamenturkunde stammt aus dem Jahr 1005. Bis Mitte des 11. Jahrhunderts verdrängt das Pergament den Papyrus in der päpstlichen Kanzlei als Beschreibstoff. Im Gegensatz zu ihren Vorläufern aus Papyrus weisen Pergamenturkunden ein Querformat auf und haben bedeutend kleinere Zeilenabstände.
Schrift/Schreibflüssigkeit: Als typische Kanzleischrift setzte sich im 12. Jahrhundert die kuriale Minuskel durch, die die römische Kuriale verdrängte. Im 14. Jahrhundert fand der Übergang zur Bastarda statt. Verziert wurden die Urkunden durch die Auszeichnungsschrift in der ersten Zeile, der sogenannten Gitterschrift oder Elongata.
Die Kanzlei benützte ausschliesslich schwarze Tinte, auch wenn diese auf den überlieferten Originalen mittlerweile durch den Alterungsprozess einen Braun-, Grau- oder Gelbstich hat.

Privileg Innozenz' III. an das Kloster Kappel vom 27. Juni 1211.
Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2.

Die inneren Merkmale einer Urkunde beziehen sich auf Inhalt, Wortlaut, Aufbau und Stil. Sie lassen sich - im Gegensatz zu den äusseren Merkmalen - auch in einer Abschrift erkennen.
Die Papsturkunde gliedert sich (wie die Königsurkunde) in verschiedene Bestandteile. Nicht alle Papsturkunden verfügen über sämtliche Elemente. Über einen idealtypischen Formenapparat verfügen die mit Sorgfalt ausgeführten feierlichen Privilegien. Unbedingt erforderlich sind im Protokoll Intitulatio und Inscriptio, im Kontext Narratio und Dispositio, im Eschatokoll die Datierung.

Protokoll (blau):
Invocatio* Anrufung Gottes
Intitulatio Name und Titel des Papstes, meist mit Devotionsformel/ Legitimationsformel
Inscriptio mit Salutatio Name, Titel und Diözese des Urkundenempfängers mit Grussformel oder Segenswunsch
Kontext (grün):
Arenga* Einleitungsformel, Begründung
Promulgatio* Absichtserklärung, Bekanntmachung
Narratio, die meist mit Petitio endet Erzählung des Bittstellers mit Bitte um Ausstellung der Urkunde
Dispositio Päpstlicher Entscheid
Sanctio mit Comminatio und Benedictio Bekräftigung mit Verfluchung bei Übertretung und Androhung von Strafe sowie Verheissung göttlichen Lohns für denjenigen, der die Willenserklärung erfüllt
Corroboratio* Angabe der Beglaubigungsmittel
Apprecatio Segenswunsch, dreimaliges Amen
Eschatokoll (gelb):
Subscriptiones
mit Rota und Bene valete
Unterschrift von Papst und Kardinälen
Datierung
(Scriptumzeile, Datumsformel oder kleine Datierung)
Enthält Orts- und Zeitangabe


*können fehlen

Protokoll mit Intitulatio, Inscriptio und Salutatio

1 Intitulatio:Innocentius episcopus, servus servorum dei

2 Inscriptio:dilectis filiis, .. abbati monasterii de Capella eiusque fratribus tam presentibus quam futuris regularem vitam professis
'Den geliebten Söhnen, dem Abt von Kappel und dessen Brüdern, sowohl den gegenwärtigen als auch den zukünftigen, die ein reguläres Klosterleben führen.'

3 Salutatio: in perpetuum 'auf ewig'

Alle Ausschnitte aus: Privileg Innozenz' III an das Kloster Kappel, 27. Juni 1211, StAZH C II 4, Nr. 2

Häufig fehlt die Invocatio, so dass Papsturkunden in der Regel direkt mit der Intitulatio beginnen, also dem Namen des amtierenden Papstes mit dem Zusatz episcopus - der Papst war und ist ja immer auch Bischof von Rom - oder papa.
Die Ordinalzahl fehlt nach dem Papstnamen, auch bei mehreren Amtsträgern gleichen Namens. Seit Gregor I.beginnen die Päpste, den Amtstitel mit der DevotionsformelLegitimationsformel servus servorum dei ('Knecht der Knechte Gottes') zu erweitern. Diese Demutsbezeugung, die sich auf Bibelstellen wie 2 Petr 1,1 (Simon Petrus servus et apostolus Iesu Christi) und Röm 1,1 (Paulus servus Christi) bezieht, zeigt das päpstliche Selbstverständnis als Stellvertreter Christi auf Erden und stellt die Päpste in die Apostelnachfolge.

Die Inscriptio ist die Adresse im Urkundenformular, sie listet den/die Urkundenempfänger im Dativ mit Namen, Titel, Wohnort/Kloster/Diözese auf (z. B. dilectis filiis, abbati monasterii de Capella eiusque fratribus tam presentibus quam futuris regularem vitam professis).

Die Salutatio enthält einen Gruss- oder Segenswunsch (z. B. salutem et apostolicam benedictionem) und/oder eine Verewigungsformel (z. B. in perpetuum, ad perpetuam rei memoriam).

Das Protokoll ist meist in Form einer Gitterschrift oder Elongata gehalten, einer sehr schmalen und hochgezogenen Minuskel. An Initialen von Papstnamen sind oftmals auch ornamentale Verzierungen angebracht (sogenannte 'litterae cum floribus').

Kontext einer Papsturkunde
Privileg Innozenz' III. an das Kloster Kappel vom 27. Juni 1211. Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2.

Auch wenn ein päpstliches Privileg rein vordergründig ein individueller Gnadenerweis für eine bestimmte Person oder Institution darstellte, so wurden für den Kontext in der Regel festgelegten Formeln und stehende Wendungen benützt, so dass sich Papsturkunden im Aufbau oft sehr ähnlich sind.
Die Anfangsbuchstaben der einzelnen Sätze sind graphisch hervorgehoben. Der Kontext bildet den zentralen Teil einer Papsturkunde und gibt den eigentlichen Sachverhalt respektive die Rechtshandlung wieder. Eine Papsturkunde wird gemäss ihres Incipits benannt. In der Regel sind dies die ersten zwei Worte der Arenga oder bei deren Fehlen diejenigen der Narratio, z. B 'Unam sanctam', 'Pastor bonus', 'Antiquorum habet'.

Kontext
Arenga
(fehlt bei einfachen Papsturkunden)
Einleitungsformel, Begründung für die Ausstellung der Urkunde, der Papst beruft sich dabei meist auf seine Hirtenpflicht
Promulgatio
(wird oftmals ganz weggelassen)
Absichtserklärung, Bekanntmachung
Narratio, die meist mit Petitio endet Erzählung des Bittstellers mit Bitte um Ausstellung der Urkunde. Darlegung der Verhältnisse, die der Ausstellung der Urkunde vorangingen.
Dispositio Päpstlicher Entscheid und Anordnungen
Sanctio mit Comminatio und Benedictio Bekräftigung mit Verfluchung bei Übertretung und Androhung von Strafe sowie Verheissung göttlichen Lohns für denjenigen, der die Willenserklärung erfüllt
Corroboratio
(kommt in Papsturkunden nur vereinzelt vor)
Angabe der Beglaubigungsmittel
Apprecatio Segenswunsch, dreimaliges Amen

Hat man eine Papsturkunde im Original vor sich, so ist für das weitere Vorgehen entscheidend, ob sie bereits einmal in einer kritischen Edition erschienen ist oder nicht. Bei Papsturkunden ist die Wahrscheinlichkeit europaweit hoch, dass sie in einem Urkundenbuch oder Regestenwerk abgedruckt sind.
In Urkundenbüchern wird in der Regel der lateinische Urkundentext vollständig abgedruckt. In Regestenbüchernhingegen wird der Urkundentext von den jeweiligen Bearbeitern in einer neusprachlichen Kurzzusammenfassung präsentiert. Im Falle unserer Beispielurkunde würde ein solches Regest etwa wie folgt aussehen:

Feierliches Privileg Papst Innozents III. an das Zisterzienserkloster Kappel am Albis (ZH) vom 27. Juni 1211 (StAZH C II 4, Nr. 2).
Im Privileg werden Kappel Rechte und Freiheiten bestätigt. Der Papst setzt fest, dass jegliche Besitztümer dem Kloster fest und ungeschmälert verbleiben sollen, auch zukünftige, die das Kloster in Zukunft mit Bewilligung der Päpste, durch die Großzügigkeit der Könige oder Fürsten, durch Schenkung der Gläubigen oder auf andere gerechte Weise mit Hilfe Gottes erlangen würde. Namentlich genannt werden der Ort Kappel selbst mit allem Dazugehörigem, Urtilicon (Uerzlikon), Wincrion (vermutlich Winon bei Gunzwil) und Gundolwilre (Gunzwil LU) mit allen Besitztümern, Wiesen, Weinbergen, Ländereien Wäldern, Nutzungsrechten etc.

Solche Regesten sind strikt vom Original zu unterscheiden und dürfen nie so zitiert werden, als gäben sie den originalen Wortlaut wieder! Sowohl für Transkription wie auch für Übersetzungen gilt darüber hinaus die Regel, dass sie immer nur eine Interpretation des Originaltextes und ihre Qualität von den Transkriptionsfähigkeiten und Lateinkenntnissen der Bearbeiter abhängig ist. Wer mit Papsturkunden arbeitet, darf sich nicht blind auf Editionen und Regesten verlassen, sondern sollte gegebenenfalls auch die originale Handschrift heranziehen.

Der vollständige lateinische Text der Urkunde Innozenz' III. an das Kloster Kappel vom 27. Juni 1211 (StAZH C II 4, Nr. 2) findet sich z.B. im
Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hrsg. v. der Commission der antiquarischen Gesellschaft Zürich, bearb. von Escher, J[acob] und P[aul] Schweizer, Bd. 1, Zürich 1888, S. 250-253.

Einen schnellen Überblick sowie Zusatzinformationen über den Inhalt des Kontexts (Regest) finden sich bei
Largadièr, Anton, Die Papsturkunden des Staatsarchivs Zürich von Innozenz III. bis Martin V.Ein Beitrag zum Censimentum, Zürich, 1963, S. 92, N. 2: «[Innocentius III.] Erteilt dem Zisterzienserkloster Kappel ein Privileg. Er nimmt es mit den Besitzungen in päpstlichen Schutz, bestätigt seine Freiheiten und ordnet die Beachtung der Benediktinerregel und die Institutionen der Zisterzienser an; im Art. 5 werden Güter in Ürzlikon, Winon (?) und Gunzwil genannt.»

Ein weiteres Regest dazu bieten auch die
Regesta Pontificum Romanorum [Potthast], Bd. 1, S. 369, Nr. 4277: Monasterium in Capella Cisterc. ord. Constantiens. dioc. protegendum suscipit omnesque eius possessiones ac bona, specialiter locum in quo illud situm, Ürzlinkon, Wincrion et Gundelwilre, iura ac privilegia confirmat.
Eschatokoll eines feierlichen Privilegs
[Rota] Ego Innocentius catholice ecclesie episcopus ss.*
[Bene valete in Form von Monogramm]
Privileg Innozenz' III. an das Kloster Kappel vom 27. Juni 1211. Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2.
[Kardinalpriester] [Kardinalbischöfe] [Kardinaldiakone]
† Ego Cinthius tit. sancti Laurentii in Lucina presbyter cardinalis ss.
† Ego Cencius sanctorum Iohannis et Pauli presb. card. tit. Pamachii ss.
† Ego Petrus tit. sancti Marcelli presb. card. Ss.
† Ego Benedictus tit. sancte Susanne presb. card. ss.
† Ego Leo tit. sancte crucis in Ierusalem presb. card. ss.
† Ego Guala sancti Martini presb. card. tit. Equitii ss.
† Ego Pelagius tit. sancte Cecilie presb. card. ss.
† Ego Iohannes Sabinensis episcopus ss.
† Ego Nicholaus Tusculanus episcopus ss.
† Ego Guido Prenestinus episcopus ss.
† Ego Hugo Hostiensis et Velletrensis episcopus ss.
† Ego Guido sancti Nicolay in carcere Tulliano diaconus card. ss.
† Ego Octavianus sanctorum Cosme et Damiani diac. cardinalis ss.
† Ego Iohannes sanctorum Cosme et Damiani diac. card. ss.
ss.*= subscripsi: 'habe unterschrieben'

Das Schlussprotokoll einer Papsturkunde ist je nach Urkundentyp aufwendiger (feierliches Privileg) oder schlichter (Breve, Littera) gehalten.
Das Eschatokoll eines feierlichen Privilegs enthält die Subscriptiones, also die Unterschriften aller Personen, die an der Ausstellung der Urkunde beteiligt waren.
An erster Stelle unterschreibt der Papst, gemäss Formular:
Ego N. catholice ecclesie episcopus subscripsi. Während frühere Päpste wie Gregor I. ihre Briefe noch selber unterschrieben, beschränkten sich nachfolgende Päpste darauf, lediglich mit Ego oder E zu zeichnen und hörten mit Bonifaz VIII. ganz damit auf.

Die päpstliche Unterschrift wird symmetrisch flankiert von der Rota (links) und dem Bene valete (rechts).
Die Unterschriften der Kardinäle erfolgen nach den ordines (Rangklassen) innerhalb des Kardinalkollegiums: rechts die Kardinaldiakone, in der Mitte die Kardinalbischöfe und links die Kardinalpriester.
Am Ende des Eschatokolls findet sich die Datierung, die je nach Urkundentyp ausführlich gehalten wird, im Minimum aber Ort und Jahr der Urkundenausstellung enthält.

Feierliche Privilegien verfügen über die grosse Datierung, die nicht nur Ausstellungsort, -tag und Pontifikatsjahr nennt, sondern zusätzlich den Ausfertigenden nennt und bis 1123 von der «datum per manum-Formel» ('gegeben durch die Hand') begleitet wird, mit Angabe von Datar und Indiktion. Schauen wir diese Elemente in unserer Beispielurkunde genauer an. (Vgl. dazu den Wortlaut in der rechten Spalte.)
Die Tagesberechnung wird wie folgt vorgenommen: Wir wissen, dass die Kalenden (kal.) jeweils den Ersten des Monats bezeichnen. Um die 5. Kalenden des Juli zu berechnen, müssen wir fünf Tage zurückzählen (inkl. 1. Juli, 30. Juni, 29 Juni, 28. Juni, 27 Juni). Die Urkunde wurde folglich am 27. Juni 1211 ausgestellt.
Die Indiktion geht auf den römischen Steuerzyklus zurück, der jeweils fünfzehn Jahre dauerte. Man berechnet das Indiktionsjahr, indem man zur Jahreszahl 3 addiert und anschließend durch 15 dividiert:
1211 + 3 = 1214
1214 : 15 = 80 Rest 14
Wir befinden uns also im 14. Indiktionsjahr. Die Angabe in der Urkunde stimmt.
Pontifikatsjahr: Wenn Papst Innozenz im Juni 1211 im 14. Regierungsjahr war, dann musste er im ersten Halbjahr des Jahres 1198 zum Papst gewählt und gekrönt worden sein. - Richtig! Lothar von Segni wurde als Innozenz III. am 22. Februar 1198 zum Papst gekrönt und regierte somit seit Ende Februar 1211 im 14. Jahr.
Soviel zur grossen Datierung der Privilegien. Alle anderen Papsturkundentypen schliessen mit der kleinen Datierung, bei der nur Ausstellungsort, -tag und Pontifikatsjahr angegeben werden, z. B. Datum Rome apud sanctum Petrum Kalendis Aprilis pontificatus nostri anno secundo.
Um Datierungen in Papsturkunden (nach dem römischen Kalender mit Kalenden, Nonen und Iden) aufzulösen, nimmt man am besten den Grotefend zur Hand.

Transkription der Datierung im Privileg Innozenz' III. an das Kloster Kappel vom 27. Juni 1211.
Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2.

Datum Laterani per manum Iohannis, sancte Marie in Cosmidin diaconi cardinalis, sancte Romane ecclesie cancellarii, V. kal. Iulii, indictione XIIII, incarnationis dominice anno MoCCoXIo, pontificatus vero domni INNOCENTII pape tertii anno quartodecimo
'Gegeben im Lateran durch die Hand des Johannes, des Subdiakons der Kirche der Heiligen Maria in Cosmedin und Kanzlers der heiligen Römischen Kirche, an den 5. Kalenden des Juli, der 14. Indiktion, im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1211, im vierzehnten Jahr aber des Pontifikats des Herrn Papst Innozenz III.'

Rota im Privileg Innozenz' III. an das Kloster Kappel vom 27. Juni 1211, Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2.
1 Apostel Petrus und Paulus
2 Name des Papstes mit Ordinalzahl
3 Devise des Papstes

Die Rota bildete sich in der Mitte des 11. Jahrhunderts im Rahmen der Unterfertigung aus. Sie besteht aus zwei konzentrischen Kreisen.
Im inneren Kreis, aufgeteilt auf vier Quadranten, stehen seit Urban II. die Namen der zwei Apostelfürsten scs (sanctus) Petrus und scs (sanctus) Paulus sowie der Name des amtierenden Papstes mit Ordinalzahl, z.B. Innocentius pp (papa) iii.
Im äusseren Ring wird die Devise des jeweiligen Papstes eingetragen. Die Devise verweist meist auf eine Bibelstelle, in den häufigsten Fällen auf das Buch der Psalmen.
In der Regel unterscheiden sich die Devisen, die die Päpste für ihr Pontifikat wählen; es kommt aber auch vor, dass einzelne Päpste aus Referenz eine Devise eines Vorgängerpapstes adaptieren. So verwendeten die drei Päpste Eugen III., Innozenz III. und Gregor IX., ein Neffe Innozenz' III.) die gleiche Devise, nach Psalm 85 (86),17: fac mecum domine signum in bonum ('Wirke an mir ein Zeichen zum Guten').

Zwei Varianten des Bene valete
Details aus den Urkunden Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2 sowie C II 13, Nr. 14.

Das Bene valete ('lebt wohl') ist ein Segenswunsch des Papstes am Ende eines feierlichen Privilegs und ein eigentliches Äquivalent zu seiner Unterschrift. Ursprünglich in ausgeschriebener Form von den Päpsten selbst angebracht, wurde es seit Leo IX. als Monogramm gestaltet. Dabei unterschrieb der Papst nicht mehr selbst und war in der Regel auch nicht mehr an der Ausfertigung beteiligt. Die ausgeschriebene Form kam in Folge nur noch vereinzelt vor.
Bis Clemens III. wurde hinter das Monogramm noch das sogenannte Komma angebracht, ursprünglich als Interpunktionszeichen hinter dem Bene valete gedacht.
Das Monogramm wurde symmetrisch zur Rota angeordnet, wobei die Rota links und das Monogramm rechts zu stehen kam.

Bleibulle Innozenz' III.
Namensstempel: INNOCENTIUS PAPA III
Apostelstempel: Apostelköpfe mit punktierten Haaren und Bärten sowie S.PA.S.PE.
Abb.: Detail aus Urkunde Staatsarchiv Zürich, C II 4, Nr. 2.


Fischerring Leos XIII.
in: Nordisk Familjebok, Bd. 8 (1908), Sp. 419.
Ikonographisch zeigt das kreisförmige Wachssiegel den Apostel Petrus in einem Boot.

Der untere Teil einer Urkunde wird in der Regel nach vorne umgeschlagen, so dass der typische Falz, die Plica (lat. 'Falte'), entsteht. Wer eine Urkunde im Original betrachtet, tut gut daran, auch unter der Plica nachzusehen, denn oftmals sind darunter Schreibervermerke versteckt.
An diesem derart verstärkten Umbug der Urkunde wird das Siegel mit Hanf- oder rot-gelben Seidenschnüren befestigt.
Bullen tragen Bleisiegel, welche einen Durchmesser von circa 3.5 cm haben. Seit Paschal II. werden die päpstlichen Bleisiegel nach dem selbem Schema angefertigt: Auf der einen Seite erscheint der Papstname, der Titel und die Ordnungszahl (Namensstempel), auf der anderen Seite die Köpfe der Apostel Petrus und Paulus und die Inschrift S.PA.S.PE. (Apostelstempel). Beim Tode eines Papstes zerbricht der Kardinalkämmerer den jeweiligen Namensstempel, der Apostelstempel wird jedoch auch unter dem Nachfolger weiterbenutzt. Musste ein Papst zwischen seiner Wahl und Krönung siegeln, verwendete er die sogenannte Bulla dimidia (Halbbulle), die nur einseitig mit dem Apostelstempel bedruckt ist.
Goldbullen wurden von Päpsten nur selten benutzt. Das älteste noch erhaltene Exemplar stammt aus dem Jahr 1524.
Das rote Wachssiegel der Päpste, der sogenannte anulus piscatoris ('Fischerring') findet sich vor allem auf päpstlichen Breven und Sekretbriefen. Es unterscheidet sich von der Bleibulle auch durch die Art der Anbringung. Es ist nicht hängend befestigt, sondern auf die Urkunde aufgedrückt und wird mit einem geflochtenen Band aus Pergament geschützt. Durch diese Art der Befestigung zerbricht das Siegel beim Öffnen der Urkunde allerdings schnell, weshalb nur wenige Brevensiegel erhalten sind.