Brief Hildebrand Veckinchusens an seine Frau Margarete 1422

.

Inszenierung einer Rechnung mit Schreibutensilien im Europäischen Hansemuseum Lübeck. Foto: Europäisches Hansemuseum © Olaf Malzahn

The transcription reads:

Also wan god gheve, dat ick utquemme, so solde ick al myn doent ersten clar maken, er ick ut Brugge toghe, wante ick solde nicht ghernne seyn dat dey lude, den ick schuldych were, to Lubeke op myn hals solde kommen, dat mosste al umme clar sin, dat mote my god helpen unde sin leyve moder unde alle godes hilghen. ick hope, dat sal my scheyn met der hulpe uns heren godes.
Translation:

Also wenn es Gott gebe, dass ich heraus käme, so sollte ich, bevor ich irgendetwas anderes mache, zuerst klar machen, bevor ich aus Brügge abreise, denn ich würde es nicht gerne sehen, dass die Leute, denen ich schuldig bin, nach Lübeck auf meinen Hals kommen würden, dass soll alles geklärt sein, das muss mir Gott helfen und seine liebe Mutter und alle Heiligen Gottes. Ich hoffe, dass mir das geschehen soll mit der Hilfe unseres Herren Gottes.

Hintergrund:

Trotz der prekären finanziellen Lage, in der sich Margarethe Veckinchusen und die Kinder befanden, plante Hildebrand, sollte er aus dem Schuldturm entkommen, nicht sofort nach Lübeck zu reisen. Zuerst wollte er den in Brügge ansässigen Gläubigern ihre Schulden zurückzahlen. Und tatsächlich blieb Veckinchusen nach seiner Entlassung im April 1425 für ein Jahr in Brügge, bis er im Mai 1426 zu seiner Familie zurückkehrte.

Margarethe hatte die Geschäfte ihres Mannes in Lübeck während seiner Inhaftierung betreut. Ehefrauen von Kaufmännern waren oft maßgeblich am Handel beteiligt. Hildebrand Veckinchusen beklagte sich gelegentlich bei Margarethe über seine Geschäftspartner, nie jedoch umgekehrt. Um erfolgreich zusammenzuarbeiten, mussten beide Ehepartner aufeinander vertrauen.

Solidarität war auch in der erweiterten Familie üblich. Die näheren Verwandten hatten, in einem gewissen Rahmen, ein "Mitspracherecht" an der Ehe. Dass sich Margarethe und Hildebrand Veckinchusen gegen die Ratschläge, die Kinder nach Livland zu schicken, wendeten, schwächte den sozialen Status beider. Ihre Reputation war elementar, um Geschäftspartner und Gläubiger zu gewinnen. In ihrer gemeinsamen Entscheidung, weiterhin in Lübeck zu bleiben, bewertete das Ehepaar den Zusammenhalt in der Ehe höher als das Wohnwollen der Angehörigen. Eine solche Aufwertung der Kernfamilie fand im ausgehenden 13. und frühen 14. Jahrhundert immer häufiger statt.